Eine einzigartige Landschaft mit einer einzigartigen Geschichte Die Katakomben und ihr Umfeld im Südosten von Sizilien (4. – 9. Jh.)
Ein internationales kooperatives Projekt über die spätantiken Katakomben auf Sizilien, ihren Kontext, ihre Nutzung und ihre spätere Wiederverwendung. Ziel ist die jährliche Weiterführung der Ausgrabungen, und die Organisation eines umfassenden und interdisziplinären Forschungsprojekts.
Die Katakomben im Südosten von Sizilien
In der Provinz von Ragusa, im Südosten von Sizilien, sind hunderte von Grabstellen bekannt, verteilt auf unzählige Katakomben, bestehend aus Höhlen, die in die kalkhaltigen Felsformationen dieser Region eingehauen sind. Diese ungewöhnlichen Orte machen die Provinz Ragusa zu einem einzigartigen Landstrich innerhalb Europas, nicht nur aufgrund ihrer hohen Konzentration, sondern auch wegen ihres besonderen historischen Kontextes. Von der Spätantike bis ins frühe Mittelalter haben die verschiedenstenVölker mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen dieses Gebiet beherrscht, bewohnt bzw. mitbewohnt: spätrömische, germanische, byzantinische und arabische Bevölkerungsgruppen. Zusätzlich war das Territorium um Ragusa ein umkämpftes Grenzgebiet zwischen dem vandalischen Königreich, dem Römischen Reich und Odoakers italienischem Königreich.
Die größten Katakomben haben eine sehr weite Ausdehnung und weisen charakteristische architektonische Strukturen auf mit Haupt- und Nebengängen und kleinen und größeren säulengestützten Kammern, die teilweise mit skulpturalen Dekorationen und Inschriften versehen oder in denen Spuren von Bemalung erhalten geblieben sind. Die Grabstellen, die in den vorhandenen Fels gehauen wurden, bedecken entweder in Form von Grabsteinen den Boden oder, in unterschiedlichen Schichten, die gesamte Wand vom Boden bis zur Decke. Es gibt ebenso Gräber der privilegierten Bevölkerungsschicht mit baldachinartigen Überbauten, oder Arkosolien, oder schmale überwölbte Kammern als Bestattungsort für zwei oder vier Verstorbene.
Forschungsarbeiten an den Katakomben und ihrem Kontext
Bis jetzt ist die Kenntnislage über diese Region eher dürftig, da bisher auch nur wenig Fläche ausgegraben wurde. Die verfügbaren Daten rekrutieren überwiegend aus grundlegenden graphischen Dokumentationen und Zeichnungen, die bei gelegentlichen Oberflächen-Surveys angefertigt wurden. So gibt es bis jetzt keine umfassende Studie zu diesem einmaligen Gebiet: es ist sogar unmöglich die genaue Anzahl der Katakomben und Grabstätten zu bestimmen, welche aller Wahrscheinlichkeit höher ist als bisher angenommen. Die exakte Position und die Gesamtmenge von Grabfeldern und Gräbern muss systematisch erfasst werden, als auch die Form und die originalen Baustrukturen und die verschiedenen Bau- und Grablegungsperioden. Weitere grundlegende, die Katakomben betreffende Aspekte bedürfen einer genauen Betrachtung, wie Ausgrabungstechnik oder der ökonomische Kontext der Handwerker, die die jeweilige Sektor tätig waren, die Definition und Entwicklungsstrategien der Begräbnisareale sowie deren spätere Wiederverwendung als Unterkünfte oder Viehställe, die Identifizierung und soziale Zuordnung der Grabbesitzer, die Bedeutung der Katakomben für die Landschaft, ihre räumliche Beziehung zu anderen zeitgleichen Ansiedlungen (Dörfern oder oberirdischen Friedhöfen usw.), die Infrastrukturen (Straßen, Wasserressourcen, Häfen, Märkte) und die unmittelbare Umgebung dieser Begräbnisareale usw.
Diese und viele andere Punkte werden erwartungsgemäß im Fokus einer großangelegten, teilweise schon in Vorbereitung begriffenen Untersuchung stehen, die mit dem Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege Siziliens und der Universität von Hradec Králové in der Tschechischen Republik zusammenarbeitet. 2020 hat das von der DFG geförderte Programm “Aufbau internationaler Kooperationen” es möglich gemacht, Kontakte aufzubauen und vorbereitende Kooperationsmaßnahmen mit unseren internationalen Partnern abzuschließen. 2021 hat die Alexander von Humboldt-Stiftung dem Projekt eine Finanzierung innerhalb des Programms zur Förderung von Kooperationspartnerschaften (Research Group Linkage Programme) zur Verfügung gestellt. Dank dieses Programms wird unsere Abteilung und die Abteilung für Archäologie der Hradec Králové-Universität die gemeinsame Zusammenarbeit vertiefen, ihre Forschungs- und Grabungsaktivitäten fortsetzen, und die nächsten Phasen der wissenschaftlichen Arbeit, die in den kommenden Jahren durchgeführt werden, vorbereiten und weiterentwickeln.