Stadtökologie als archäologisches Forschungsthema: Die justinianische Stadtgründung Caričin Grad/Iustiniana Prima
Mittwoch, 22.06.2015, 18:15 Uhr, Hs 02-521, Georg Forster-Gebäude, Jakob-Welder-Weg 12
Caričin Grad in Südserbien ist eine Stadtanlage des 6. Jahrhunderts in Südserbien. Auch wenn die bestätigende Inschrift fehlt, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Iustiniana Prima handelt, eine Stadtgründung Kaiser Justinians, die dieser nahe seines Geburtsortes vornahm.
Seit kurzem sind Mainzer Wissenschaftler an den seit 100 Jahren dauernden Forschungen vor Ort beteiligt. Während bei stadtarchäologischen Forschungen Probleme der Stratigraphie und der Chronologie normalerweise erhebliche Ressourcen binden, bietet die kurze Lebensdauer der Stadt von nur rund 80 Jahren (ca. 530-610 n.Chr.) die Chance, gezielt Fragen nach der Versorgungslage, dem Alltag und den Auswirkungen der Stadtgründung auf die Umwelt zu untersuchen. Bauaufwand und Konsum in der Stadt wie auch die Produktion in ihrem Umfeld werden dazu mit Hilfe von Archäobotanik, Archäozoologie, Geophysik, Bodenkunde sowie architektur-, sozial- und landschaftsarchäologischer Ansätze untersucht.
Der Vortrag bietet einen Überblick über das dem Projekt zugrunde liegende methodisch-theoretische Konzept der Stadtökologie und präsentiert Ergebnisse der ersten Grabungs- und Surveykampagnen unter Mainzer Beteiligung.
Dr. Rainer Schreg ist Wissenschaftler am RGZM in Mainz und wissenschaftlicher Leiter des Leibniz-Projektes "Das kurze Leben einer Kaiserstadt - Alltag, Umwelt und Untergang des frühbyzantinischen Caričin Grad (Iustiniana Prima?)", das gemeinsam mit serbischen und französischen Partnern durchgeführt wird (Archäologisches Institut Belgrad, École française de Rome, Universität Strasbourg).
Rainer Schreg hat in Tübingen Ur- und Frühgeschichte studiert, magistriert und 2001 in der Archäologie des Mittelalters mit einer mehrfach ausgezeichneten Arbeit zur Dorfentwicklung in Südwestdeutschland promoviert (Promotionspreis der Universität Tübingen, Kurt-Bittel-Preis). Sein Forschungsinteresse gilt überregional und in Langfristperspektive der Siedlungs- und Umweltgeschichte. Dazu hat er, bis 2006 als Assistent an der Universität Tübingen, seitdem als Mitarbeiter des RGZM, Forschungsprojekte u.a. auf der Schwäbischen Alb, im Schwarzwald, in der Eifel, in Panama und auf der Krim durchgeführt. 2014 hat er eine Auswahl methodisch-theoretisch orientierter Aufsätze als kumulative Habilitationsschrift "Neue Perspektiven des Geschichtsverständnisses in der historischen Archäologie - Reflektionen und Fallstudien zur Umwelt- und Sozialarchäologie" im Fach 'Archäologie des Mittelalters' wiederum an der Universität Tübingen eingereicht. Derzeit hat er eine Vertretungsprofessur für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Heidelberg inne.
Literaturhinweise: V. Ivanišević, Caričin Grad – The fortifications and the intramural housing in the lower town. In: F. Daim/J. Drauschke (Hrsg.), Byzanz – das Römerreich im Mittelalter. Monographien des RGZM 84,2,2 (Mainz 2010) 747-775.